Mitarbeitergespräche: Sonnenschein auf dem Papier, Sturm in der Realität
- Romaine Zenklusen
- 18. Feb.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Feb.
Es ist wieder diese Zeit im Jahr. Kalender voll, To-do-Liste explodiert – und dann auch noch Mitarbeitergespräche.
Für viele eine lästige Pflichtübung, ein weiteres Häkchen auf der To-do-Liste. Für andere ein Moment der Hoffnung. Vielleicht wird es diesmal anders. Vielleicht wird diesmal wirklich zugehört. Vielleicht geht es diesmal um mehr als Ziele, Kennzahlen und Bewertungen.
Die Prognose jedenfalls klingt vielversprechend. „Konstruktiver Austausch in wertschätzender Atmosphäre“, heisst es dann. „Wichtiger Meilenstein für die Mitarbeiterentwicklung“.
Die Wetterkarte zeigt also Sonnenschein.
Und dann? Ein paar Monate später kommt die Überraschung. Kündigungen. Frust. Leistungseinbruch.
Warum? Weil die Wettervorhersage nicht gestimmt hat.
In vielen Unternehmen, die ich begleite und analysiere, laufen Mitarbeitergespräche nach Schema F ab. Ein paar vorbereitete Fragen. Ein bisschen Smalltalk. Vielleicht ein Lob für das vergangene Jahr, eine vorsichtige Anmerkung zur „weiteren Entwicklung“, aber bloss nicht zu konkret. Dann ein nettes Protokoll, das abgelegt wird – bis zum nächsten Jahr.
Das Ergebnis? Mitarbeitende sitzen da, nicken höflich – und denken sich ihren Teil. Führungskräfte haken das Gespräch als erledigt ab, ohne wirklich zu verstehen, was in ihrem Team vor sich geht.
Am Ende verlässt jeder den Raum mit einem Gefühl von „nett, aber belanglos“ – und alles bleibt beim Alten.
Alles im grünen Bereich.
Dumm nur, wenn draussen längst dunkle Wolken aufziehen.
Ein Mitarbeitergespräch ist nie nur ein Gespräch. Es ist ein Spiegel der Unternehmenskultur. Ein Indikator dafür, wie offen, ehrlich und zukunftsorientiert ein Unternehmen tatsächlich ist.
In Zeiten, in denen Fachkräfte abwandern und Loyalität keine Selbstverständlichkeit mehr ist, sind gute Mitarbeitergespräche kein Nice-to-have, sondern eine Notwendigkeit. Sie sind ein Gradmesser dafür, wie ernst Unternehmen ihre Mitarbeitenden wirklich nehmen.
Aber eben nur, wenn sie nicht wie eine geschönte Wetter-App funktionieren: Auf dem Papier heiter, in Wirklichkeit längst bewölkt bis stürmisch.
Und dann wundern sich Unternehmen, wenn es plötzlich kracht.
„Hätte ich nicht gedacht“. „Hat nie jemand gesagt“. „Kam total unerwartet“.
Echt jetzt?
Ein guter Meteorologe verlässt sich nicht nur auf hübsche Diagramme – er schaut in den Himmel, prüft Daten, stellt unbequeme Fragen. Warum machen Unternehmen es nicht genauso?
Warum nicht mal fragen:
„Was müsste passieren, damit Sie in einem Jahr sagen: Das war mein bestes Arbeitsjahr? “ oder „Was hält Sie hier – und was könnte Sie gehen lassen?“
Unbequeme Fragen? Vielleicht.
Aber wer echte Antworten will, sollte echte Fragen stellen.
Mitarbeitergespräche sind keine lästige Pflicht. Sie sind eine der besten Möglichkeiten, Talente zu halten, Kultur zu formen und eine echte Verbindung aufzubauen.
Oder eben ein weiteres Kästchen, das abgehakt wird.
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