Ich bin 47 Jahre alt, das lasse ich mir nicht mehr gefallen!
- Romaine Zenklusen
- 13. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Diesen Satz sagte mir kürzlich ein Kunde in einem Projektgespräch und ich musste schmunzeln. Nicht wegen seines Alters, sondern wegen der Klarheit. Da sass jemand, der genau wusste, was er nicht mehr will.
Es ging nicht um Befindlichkeiten, sondern um Zusammenarbeit. Um das, was in Unternehmen überall spürbar, aber selten präzise benannt wird: Kultur.
Wir sprachen über Leistung, über Druck, über Erwartungen. Über KI, Margendruck, Fachkräftemangel und Generationenwechsel. Über all das, was derzeit gern als Begründung herhält, warum man „endlich an der Kultur arbeiten“ müsse. Am besten gleich mit einem Mindset-Change und einem Workshop mit bunten Karten.
Dabei fällt mir immer wieder auf: Viele wissen gar nicht so genau, was Kultur eigentlich ist. Sie bekommt die Schuld, wenn Leistung nicht stimmt und sie soll es richten, wenn Menschen nicht so funktionieren, wie man es sich wünscht.
Kultur wird dann wie ein Duftspray im Umkleideraum benutzt: kurz aufgesprüht, damit es angenehmer riecht. Die eigentliche Botschaft bleibt unausgesprochen: Wir wollen mehr Performance, aber bitte ohne zu viel Reibung.
Für mich bedeutet Kulturarbeit etwas anderes. Sie beginnt dort, wo man ehrlich fragt, was wirklich behindert. Es sind Menschen, Strukturen, Prozesse oder unausgesprochene Erwartungen. Kultur ist kein Plakat an der Wand, sondern das, was wir täglich tun, sagen, entscheiden und was wir stillschweigend zulassen.
Wer Kultur verändern will, braucht Mut und Präzision. Mut, hinzuschauen. Präzision, zu unterscheiden zwischen Einstellung und Ausrede. Und Geduld, denn echte Veränderung duftet nicht nach Lavendel, sondern nach Arbeit.
Vielleicht lohnt es sich, ab und zu selbst zu prüfen, welchen Beitrag man zur Firmenkultur leistet. Wie oft reden wir über andere und wie oft mit ihnen? Wie oft wünschen wir uns Offenheit, ohne selbst wirklich neugierig zu sein? Wie oft erwarten wir Vertrauen, obwohl wir innerlich längst auf Abwehr geschaltet haben?
Kultur zeigt sich in den kleinen Momenten, die keiner wahrnimmt. In einem ehrlichen Feedback statt einem schnellen Urteil. In einem „Wie meinst du das?“ statt einem „Typisch der wieder!“. In der Entscheidung, zuzuhören, obwohl man glaubt, schon alles zu wissen.
Sie entsteht nicht durch die anderen. Sie entsteht durch uns. Durch das, was wir zulassen, betonen, übergehen. Durch jede Mail, jeden Blick, jedes Gespräch.
Und vielleicht beginnt Wandel genau dort: wenn wir nicht länger darauf warten, dass sich „die Kultur“ verändert, sondern beginnen, sie selbst ein Stück zu prägen.
Vielleicht steckt genau darin der Zauber dieses Satzes: „Ich bin 47 Jahre alt, das lasse ich mir nicht mehr gefallen.“ Nicht trotzig, sondern erwachsen. Nicht gegen andere. Sondern für mehr Klarheit und vielleicht beginnt genau da die neue Kultur. Wenn jemand den Mut hat, ehrlich zu sagen, was nicht mehr geht und freundlich fragt, was stattdessen möglich wäre.


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