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Schmutzige Brillen, trübe Gedanken – Zeit, klar zu sehen

Aktualisiert: 18. Feb.

Stellen wir uns vor, Gedanken wären wie eine Brille. Sie färben alles, was wir sehen. Mal klar und präzise, mal so verzerrt, als hätte jemand mit fettigen Fingern draufgefasst. Und meistens vergessen wir, dass wir sie überhaupt tragen.


Was denken wir eigentlich über unsere Arbeitskollegen? Über unseren Chef? Ein Kollege kommt unvorbereitet ins Meeting – und schon läuft der Film: „Der nimmt seinen Job nicht ernst.“ Natürlich ein Drama, bei dem wir nicht nur die Hauptrolle, sondern auch die Regie übernehmen. Doch was, wenn die Wahrheit ganz anders ist? Vielleicht hatte er einfach einen schlechten Tag. Oder er kämpft gerade mit einer Kaffeekrise und dem Montagmorgen.


Unsere Gedanken sind wie Filter. Sie bestimmen, wie wir die Welt wahrnehmen. Ein kleiner Kratzer auf der Brille – und plötzlich sieht alles fehlerhaft aus. Wer glaubt, der Kollege sei unfähig, begegnet ihm distanziert. Diese Distanz spürt er – und verhält sich genau so, wie wir es erwartet haben. Voilà, die selbsterfüllende Prophezeiung. Und plötzlich stehen wir vor dem Scherbenhaufen und fragen uns, wer hier eigentlich wen enttäuscht hat.


Die gute Nachricht: Unsere Gedanken sind keine festgeschriebene Wahrheit. Sie sind mehr wie die Playlist eines Radiosenders – jederzeit veränderbar. Der erste Schritt ist, den Sender zu wechseln: „Ist das wirklich wahr?“ Oder, noch besser: „Hilft mir dieser Gedanke – oder kann der weg?“ Noch klarer wird es, wenn wir die Perspektive wechseln. Wie würde ein neutraler Beobachter die Situation sehen – ohne Kratzer auf der Brille? Oft erkennen wir dann, dass nicht die Kolleg:innen oder Vorgesetzten das Problem sind, sondern die Geschichten, die wir uns über sie erzählen.


Doch Gedanken zu hinterfragen, heisst nicht, die Wirklichkeit zu ignorieren oder mit einem Dauergrinsen durch den Tag zu laufen. Das wäre, als würde man eine völlig zerkratzte Brille behalten, nur weil sie gut zum Outfit passt. Nein, es geht darum, klarer zu sehen – die Realität zu erkennen, ohne sie schlimmer zu machen, als sie ist.


Manchmal ist der Kollege tatsächlich unvorbereitet oder die Chefin kritisiert ungerecht. Das Positive daran? Wenn wir nicht gleich in die Drama-Produktion einsteigen, sondern die Situation nüchtern betrachten, behalten wir den Kopf frei für Lösungen. Denn klar zu sehen bedeutet nicht, alles rosarot zu färben. Es bedeutet, sich selbst aus der Gleichung zu nehmen, um das Gesamtbild zu erkennen.

Vielleicht ist es Zeit, die eigene Sicht zu überprüfen. Und die Brille mal wieder zu putzen – notfalls mit Spülmittel und einem sauberen Tuch. Denn eines ist sicher: Die Welt sieht besser aus, wenn wir durch saubere Gläser schauen. Und die Menschen um uns herum auch.

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